Zocken: Medienbildung mal anders!
Digitalisierung beeinflusst unser aller Leben. Medienbildung gehört in unserer digitalen Informationsgesellschaft zu den Aufgaben der Schule. Für uns als pädagogische Begleiter*innen bedeutet dies, sich aktiv mit dem Thema Medien auseinanderzusetzen. Selbstverständlich gehören dazu heute auch Video- und Online-Games.
“Waaaas??? Wieso dürfen die Tertias heute an der Schule zocken?!?”
Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, den Aufbau von Medienkompetenzen den Entwicklungsstufen der Kinder anzupassen. Nur wer in der realen Welt gut zurechtkommt und über einen gesunden Menschenverstand verfügt, findet sich auch in der virtuellen Welt gut zurecht.
Wichtig ist es, die Medienmündigkeit von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Außerhalb der Schule werden Erfahrungen mit Medien gemacht, die häufig unreflektiert bleiben. Die Idee einiger Schüler aus der Tertia, einen Tag lang in der Schule zu zocken, haben wir daher gerne angenommen! Warum nicht einfach das Vorwissen und die Fähigkeiten der Jugendlichen nutzen um sich selbst weiterzubilden? Als Begleiter*innen haben wir den Projekttag nicht nur pädagogisch begleitet, wir haben uns zeigen lassen, wie die Spiele funktionieren und uns so selbst schlau gemacht.
Die verantwortlichen Jungs haben den Projekttag in Eigenregie geplant und vorbereitet. Sie haben ihre Konsolen, Kopfhörer und Switches mitgebracht sowie eine Leinwand und einen Beamer organisiert.
Von 9.30 Uhr bis 12 Uhr wird gezockt: Mario Kart, Fortnite, Rayman und einiges mehr. Auf der Leinwand können vier Spieler*innen gleichzeitig gut sichtbar für alle spielen. Es knallt und knattert, drei verschiedene Musikstücke von drei verschiedenen Games dudeln durcheinander, Spieler*innen rufen dazwischen – klar ist: Die Emotionen sind entfacht!
Insgesamt haben wir ein schönes Miteinander beobachten dürfen, es war offen und lustig, es hatte was Gemeinsames und einen fairen Umgang miteinander. Durch diese gemeinsame Ebene war es leicht in der abschließenden Runde, offen zu reflektieren und so zu einer – zum Teil durchaus kritischen – Auseinandersetzung mit unseren individuellen Mediennutzungen zu kommen. Wir waren erstaunt wie ausdauernd die Jugendlichen in der Reflektiondabei sind. Hier eine kleine Auswahl der Antworten aus unserer Reflektionsrunde:
War der Zocktag gut?
“Ja – war voll geil!”
“Es hat Spaß gemacht, das zusammen zu machen!”
“Es war sehr laut! Die Pausen taten gut.“
Wie fühlst du dich jetzt?
“Ich fand es anstrengend, habe einen matschigen Kopf, ich spüre mich nicht mehr so gut. Bin mega unruhig und aufgedreht.“
“Wie nach zwei Achterbahnfahrten, ein bisschen schwummrig”
“Ich war sehr konzentriert, jetzt bin ich ganz wach.”
Was magst du am Zocken?
“Mit Freunden spielen, online oder 1:1 gemeinsam vorm Rechner. Zusammen ist es cooler.”
“Ich kann mich da so schön über meine Gegner aufregen.”
Wieviele Stunden am Tag spielst du zu Hause?
Hier sind die Antworten so verschieden wie die Kinder an unserer Schule. Neben 45 Minuten Mediennutzung am Tag, gibt es auch einige andere Stimmen.
“1,5 Stunden pro Woche, habe auch spielfreie Wochen.”
“Ich schaue 5 bis 6 Stunden pro Woche TikToks.”
“3 bis 4 Stunden am Tag, ich schaue auch Fernsehen – Querbeet!”
“8 Stunden pro Tag, am Wochenende 11 Stunden.”
“Früher habe ich mehr gezockt, jetzt spiele ich Basketball und mache Duolingo.”
“Wenn ich dürfte, würde ich mehr zocken.”
Wann und warum zockst du?
Der Großteil der Jugendlichen zockt, weil es einfach Spaß macht und ein unterhaltsamer Zeitvertreib ist. Aber auch hier gibt es selbstkritische Stimmen.
“Weil mir langweilig ist. Ich habe keine Hobbys. Das Zocken ist Hobby, weil ich keine anderen habe.”
“Früher habe ich viel gespielt, Baller- und Kriegsspiele, mit meinem Bruder. War ’ne soziale Sache. Um mich abzulenken und manches nicht zu spüren. Ich konnte Held sein, hatte das Gefühl, ich kann was.”
“Ich hatte früher ein gutes Niveau, dadurch habe ich viele Menschen aus aller Welt kennengelernt und viele Kontakte geknüpft.”
“Ich bin dann nicht in der echten Welt, es ermöglicht mir was anderes.”
“Ich spiele, um die Realität zu skippen. Wenn ich dann Aufgaben bekomme wie einkaufen oder so, höre ich auf.”
“Es macht halt Spaß und ist was Besonderes, wenn ich mal länger spielen darf.”
“Ich mag es nur, mit Freunden zu spielen. Wenn ich alleine spiele, höre ich nach 30 Minuten auf und gehe lieber raus.”
Unse Fazit nach diesem Projekttag:
Im Rahmen der Medienbildung ist es uns ein großes Anliegen mit den Jugendlichen weiter in einen ehrlichen Austausch zu kommen. Denn es braucht die Schärfung des eigenen Bewusstseins im persönlichen Umgang mit den Medien. In unserer – schon in weiten Teilen digitaltisierten Welt – ist das eine äußerst wichtige Kompentenz.
Der Aufbau eines eigenverantwortlichen und bewusst gesteuerten Handelns in Bezug auf diese faszinierende, wichtige und zugleich verführerische und auch gefährliche virtuelle Welt ist aus unserer Sicht absolut notwendig.
Der einfachste Zugang ist die Alltagswelt der Jugendlichen zu nutzen, ihre sowieso täglich stattfindende Mediennutzung mit den Medien, die sie kennen. Da liegt ihr Interesse, ihre Begeisterung und auch ihre Kompetenz.
Deshalb haben wir uns entschlossen den Raum für einen weiteren Zocktag in der Schule aufzumachen und an einem zweiten Tag noch mehr von ihrer Lebenswelt verstehen zu lernen und dadurch leichter ins Gespräch zu kommen.
Katrin Bohner / AF